UMTA Generationen Gala in Frankfurt | 01.10.2022 | Poetry Slam
Unsicherheit.
Ich bin mir oft unsicher.
Unsicher, ob wir wissen, wer wir sind.
Unsicher, ob wir wissen,
Wie groß und klein wir sind,
Wie stark und schwach wir sind,
Wie besonders und unbedeutend wir sind.
Alle Kinder derselben Schöpfung,
Aber trotzdem so unglaublich verschieden sind.
Ich spüre ihn.
Den Wunsch, wie wir irgendwann verzerrte Wahrnehmungen brechen.
Den Traum, wie wir irgendwann alle dieselben Prioritäten setzen.
Ich spüre sie. Spüre, wie sie mich antreiben.
Mich antreiben, jeden noch so steinigen Weg zu beschreiten.
Mich antreiben, nach den höchsten Sternen zu greifen.
Und stell dir vor, ich spüre das alles,
Nur um festzustellen,
Dass dich nichts davon interessiert.
Dass du mir niemals die Zeit gibst,
Mich niemals an die Hand nimmst,
Um mir zu helfen, irgendetwas davon zu realisieren.
Stattdessen tust du alles, um mir zu implizieren,
Dass ich meine Zeit verschwenden würde.
Dass mein Schicksal sowieso in deinen Händen liegen würde.
Dass du Gott und deshalb in der Lage bist,
Alles und jeden nach Belieben zu kontrollieren,
Alles und jeden nach Belieben zu definieren.
Mich und viele andere bezüglich Herkunft und Rasse
So lange mit der Absicht zu manipulieren, dass ich irgendwann aufhöre zu träumen.
Anfange, dich zu bewundern und mich selbst zu verabscheuen.
Anfange Dinge zu leugnen, die mich besonders machen
Und unbemerkt anfange,
Mit dir erneut eine Ära der „White Supremacy“ zu erschaffen.
Ich bin mir unsicher.
Unsicher, wie es wäre, wenn du es tatsächlich schaffst,
Mich wie den Bauer in deinem Schachspiel zu bewegen.
Mich dazu bringst, nach einer dir untergeordneten Rolle zu streben.
Mich dazu bringst stumm zuzusehen,
Wie unsere Kinder wie Bauchrednerpuppen,
Kontrolliert durch deine Gedanken, reden.
Diese Gedanken,
Die mich dazu bringen sollen, dass ich
Unaufhörlich meine Makel zähle.
Unaufhörlich meine Seele mit unnötigen Vergleichen quäle.
Unaufhörlich meine Würde mit meinen eigenen Füßen trete.
Gedanken von denen du erwartest,
Dass ich niemals meine Stimme gegen sie erhebe.
Niemals die versteckten Botschaften verstehe.
Deine mir gegenüber passiv aggressive Haltung nicht sehe.
Weil mein Geist zu schwach scheint,
Mein Intellekt nicht ausreicht,
Meine Wenigkeit nicht mal in 500 Jahren begreift,
Dass genau die Präsenz meiner Person
Immer mehr dein Selbstbewusstsein zerfrisst.
Dass du allein durch diese angebliche Andersartigkeit verängstigt bist
Und auf der Suche nach deiner Identität,
Immer mehr den Sinn für Realität verlierst.
Meine Existenz krampfhaft auf mein Äußeres,
Meine Hautfarbe reduzierst,
Obwohl sie für alle Zeiten ein Geschenk meines Schöpfers repräsentiert.
Ein Geschenk, das für dich,
Wie ein Fluch des Himmels, wie ein Fehler im System,
Wie eine Anomalie in meiner DNA wirkt,
Obwohl sich in dieser Geschenkkiste
Ein komplexes und faszinierendes Individuum verbirgt.
Ich bin mir unsicher.
Unsicher, wieso du glaubst, ich könnte dich nicht durchschauen.
Unsicher, wieso du glaubst,
Dich verärgert wegdrehen zu können,
Wenn ich eine Diskussion damit beginne,
Wie du auf die Idee kommst, du wüsstest auch nur eine einzige Sache über mich.
Müsstest dir dein Maul zerreißen über mich,
Glaubst deine Blicke, deine Worte machen dich größer als mich.
Was denkst du, wer du bist?
Wer hat dir gesagt, du bist der Stärkste oder der Klügste hier draußen,
Wer verdammt nochmal hat dir Arroganz verkauft
Und dir gesagt, du sollst dich an ihr berauschen?
Wer hat dir vorenthalten, dass dir diese Arroganz zu Kopf steigt,
Bis sie dich völlig einnimmt und dich letzten Endes feindlich und ängstlich stimmt?
Gegenüber Menschen, die nicht die geringste Gefahr für dich darstellen,
Dir keine Türen im Leben versperren,
Die, genau wie du, ihr Glück im Leben suchen und immer aufstehen werden,
Selbst wenn du versuchst,
Sie gesellschaftlich, psychologisch und menschlich immer wieder zu beerdigen.
Ich war mir unsicher.
Unsicher, ob ich diese Parole schieben will.
Weil ich mir bestimmt anhören muss,
Dass ich mal wieder die Rassismus Karte ziehe.
Was in der Vergangenheit dazu führte,
Dass ich solches Verhalten ab und an ignorierte,
Nur weil ich Angst hatte, dass ich meinen inneren Frieden verliere.
Angst hatte, meinen inneren Frieden, den ich liebe, zu riskieren.
Allein für eine eventuelle Zukunft,
In der unsere Verhaltensmuster nicht mehr auf Vorurteilen basieren.
Für eine Zukunft, in der wir nicht alles akzeptieren, nicht alles tolerieren,
Nicht dauernd unsere Wangen hinhalten.
Sondern eine Zukunft, in der die Menschen uns Respekt zollen,
Weil sie wissen, wie sie ihren Verstand einschalten.
Eine Zukunft, in der ich meinen inneren Frieden aufs Spiel setze,
Mein Schweigen breche,
Worte wie „Black Lives Matter“ nicht nur spreche,
Sondern zu jedem Zeitpunkt verkörpere,
Weil ich ganz genau weiß,
Dass du nur eine Reflexion von genau dieser Unsicherheit bist.
Und es ist diese Unsicherheit,
Die in dir die Überhand gewinnt, dein Licht dimmt,
Und dir die Sicht auf die Wahrheit nimmt.
Die Wahrheit, dass wir alle auf unterschiedliche Art und Weise
Gleich wertvoll sind.
Die Wahrheit für die ich bereit bin,
Dir Zeit zu geben und dich sogar an die Hand zu nehmen.
Damit wir alle verstehen,
Dass wir, du und ich, egal ob schwarz oder weiß,
Die Antworten auf unsere Fragen sehen,
Wenn wir alle in dieselbe Richtung gehen.
Aber das geht erst, wenn du aufhörst,
Deine eigene Reality Show zu drehen.
Deine Reality Show,
In der dieses Land, das du dein eigenes nennst, das gelobte Land ist.
In der die Rasse, die du überlegen nennst, das auserwählte Volk ist.
In der eine White Supremacy, die du Realität nennst, auch meine Realität ist.
Ich bin mir oft unsicher.
Unsicher, ob wir wissen, wer wir sind.
Unsicher, ob wir wissen
Wie groß und klein wir sind,
Wie stark und schwach wir sind,
Wie besonders und unbedeutend wir sind.
Eben weil wir alle Kinder derselben Schöpfung
Aber trotzdem so unglaublich verschieden sind.
– von Ziyaad Touré Kordowou